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  Kurzkrimis Wenn die Lichter ausgehen

Die folgenden Tagebuchaufzeichnungen stammen aus dem Polizeiarchiv und sind rein privater Natur. Die Autorin wollte nicht ausfindig gemacht werden.

6.8. abends:

Endlich habe ich den Umzug hinter mir. Das ganze Studio ist noch ein Chaos, aber ich bin glücklich. So eine riesige Tanzfläche hätte ich mir nie erträumt. Was für ein Glück, dass meine Vermieterin so plötzlich ausgezogen ist. Und die Fensterfront ist fantastisch. So, das ist alles für heute. Todmüde ... bis bald, mein Tagebuch.

8.8. morgens

- nur ganz kurz. - Das muss ich unbedingt festhalten: das Licht ist absolut einmalig, der riesige Raum strahlt regelrecht, und ich tanze wie besessen - jetzt müsste die Jury mich sehen!

8.8. abends um elf?

- Wir haben die Scheinwerfer installiert, alles ist fertig. Die anderen sind schon gegangen, ich habe mich in der Dunkelheit ans Fenster gestellt, um das Studio auf mich wirken zu lassen, dabei habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie nah die Häuserfront drüben ist - ich kann ja allen ins Wohnzimmer sehen. Schon komisch. Habe den Hausmeister kennen gelernt, auch komisch, aber nett. Will mir jederzeit helfen. Na fein.

10.8. - 1.00 Uhr:

Ich kann noch nicht schlafen - was die Hausmeisterin (Frau Beelzer) mir gesagt hat, geht mir nicht aus dem Kopf. Sie meint, die vorherige Bewohnerin meiner Studio-Wohnung sei - ich kann es kaum hinschreiben - umgebracht worden. Im Keller. Und sie soll schon die dritte sein. Warum hat mir das keiner gesagt? Will lieber einen Schnaps trinken.

11.8. -

Irgendwie sehe ich meine Wohnung mit anderen Augen an: was mag da passiert sein? Die Leute im Haus reden nicht. Der Hausmeister - (wenn er nur nicht immer diesen Blick hätte!) will auch nicht darüber sprechen. Sonst freundlich.

Abends halb zwölf:

Nachtrag. Jemand beobachtet mich von gegenüber, ich bin ganz sicher. Ich habe alle Lichter ausgemacht.

13.8. -

Ich kann einfach nicht tanzen, meine Beine sind wie gelähmt. Gestern hat das Telefon zweimal geklingelt, aber niemand war dran. Ich habe Angst.

14.8. abends:

Diese Hitze macht mich ganz fertig. Alle Fenster des Studios sind geöffnet. Ich kann die Stimmen in den anderen Wohnungen hören, alle klingen irgendwie gereizt. Oder liegt das an mir? Die Nerven ... Telefon hat fünfmal geklingelt. Nach dem dritten Mal habe ich nicht mehr reagiert. Wenn mir nur jemand helfen könnte! Die von der Tanzgruppe haben nur gelacht - "was, schon ein unbekannter Fan?"

Später, nachts:

kann nicht einschlafen. Drüben steht einer am Fenster und schaut her. Er raucht, ich kann das Glimmen in der Dunkelheit sehen. Muss mir vielleicht doch Vorhänge kaufen. So heiß...

15.8.:

Bin doch ans Telefon gegangen. "Willst du nicht in den Keller kommen?" hat der Kerl gesagt. Meine Hände zittern noch immer vor Angst.

16.8.:

So geht das nicht weiter, ich muss unbedingt was tun! Zur Polizei? Was können die schon machen. In zwei Wochen muss ich vortanzen. Ich schaffe das nicht. Drüben die Wohnung ist verdunkelt, auch jetzt am helllichten Tag. Ich weiß, da ist jemand. Habe ein Fernglas aufblitzen sehen.

18.8.:

Die anderen sagen, ich sehe total schlecht aus. Seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen. Der Kerl am Telefon: "Glaub mir, im Keller wirst du Ruhe finden..." Mir ist schlecht.

19.8.:

Warum sind die Leute im Haus nur so verschlossen? Die alte Frau von nebenan öffnet jedes Mal ihre Tür einen Spalt breit und beobachtet mich. Und der kalte Geschäftsmann grüßt nicht mal im Treppenhaus. Nur der Hausmeister hat mir heute eine Flasche Schnaps geschenkt. Seine Frau macht bald eine Kur, hat er erzählt. Ich habe beschlossen, zur Polizei zu gehen.

20.8.:

Die Beamten waren zwar freundlich, haben sich alles notiert, wollten mir aber nichts über den Mordfall in meinem Haus sagen - und der eine schien zu denken, ich litte an Verfolgungswahn. Der andere, ein Kommissar und noch ziemlich jung, hat mich aber sehr mitfühlend angesehen. Komisch, ich hatte den Eindruck, er verschwieg mir etwas.

Spätabends.

- Nein, ich gehe nicht ans Telefon. Nein! Ich kann diese widerliche, verstellte Stimme nicht mehr ertragen.

22.8.

- Habe noch mal mit dem jungen Beamten gesprochen. Er hat gesagt: "Sie sind nicht allein!" Warum hat er das nur gesagt? Er hat warme, braune Augen. Bin heute ruhiger.

23.8.

- Der erste Anruf heute Morgen: Andreas Martens, mein besorgter Kommissar. Hat sich nach meinem Befinden erkundigt. Nach langer Pause konnte ich endlich wieder entspannt und konzentriert tanzen. Am Nachmittag hat das Telefon noch mal geklingelt. Es war nicht Andreas, sondern der Kerl. Ich soll in den Keller kommen. Vielleicht tu ich's. Damit endlich Ruhe ist.

24.8. 1.00 Uhr nachts.

- Die Flasche Schnaps ist halb leer. Drüben glimmt eine Zigarette und ich kann leise Musik hören. Das Telefon hat eben einmal geläutet. Nur einmal. Er ruft mich. Ich werde gehen. Noch ein bisschen von dem Alkohol. Alles so leicht... Dann werde ich wieder tanzen können.

24.8. 5.00 Uhr morgens.

- Nur die paar Zeilen: Es ist vorbei. Und jetzt will ich nichts als schlafen. - Ich bin in den Keller gegangen. Zum ersten Mal. Die Gänge rochen faulig und mein Herz schlug wie wahnsinnig. Nach ein paar Schritten ging das Licht aus und ich hörte ein heiseres Lachen hinter mir. Ich wollte schreien, aber eine Hand legte sich auf meinen Mund: alles aus, dachte ich. Da ging das Licht wieder an. Direkt vor mir stand mein lieber Andreas Mertens und noch ein Polizist und ihre Waffen waren auf Beelzer gerichtet, den Hausmeister, der mich sofort losließ. Sie haben ihn dann festgenommen. Und ich wäre fast umgekippt, mir wurde so schwarz vor den Augen, wenn nicht mein Andreas mich aufgefangen hätte. Jetzt ist alles gut. Er hat mir erzählt, dass seine Beamten unser Haus von gegenüber beobachtet hätten. Weil sie schon einen Verdacht hatten, nur keine Beweise. Und er hat wohl auch manchmal nachts drüben gestanden und meine Angst geahnt, konnte mir aber nicht helfen. Jetzt kann ich endlich wieder ruhig schlafen.